Jüdisches Leben in Thannhausen von 1500 bis 1718
Warum gibt es in Thannhausen eine JUDENGASSE?
(Heimatheft-Eintrag in der 4. Klasse)
Von ca. 1500 bis 1718 lebten in Thannhausen Jüdinnen und Juden. Als sie aus den Städten und dem Herzogtum Bayern vertrieben wurden, suchten viele Unterkunft und Arbeit hier auf dem Land. Die Ortsherrschaft in Tainhusen erlaubte ihnen eine Ansiedelung. Sie konnte dadurch viele Abgaben von den Juden erhalten. Seit 1567 hatten sie einen eigenen Friedhof, das „Judenbegräbnis“ nordöstlich des Hansenhohl an der Straße nach Ziemetshausen.
Um 1620 hatte der Reichsmarkt Thainhausen etwa 1000 Einwohner. 350 davon gehörten zur jüdischen Gemeinde. Sie war zu dieser Zeit eine der größten und bedeutendsten
in Schwaben. Sie hatte einen eigenen Rabbiner sowie eine Judenschoul und eine Juden-Studenten-Schoul. 1627 wurde eine neue Synagoge gebaut. Juden und Christen lebten friedlich nebeneinander,
arbeiteten und trieben Handel miteinander. Es gab aber auch Anfeindungen und falsche Schuldzuweisungen, z. B. die Juden seien „Gottesmörder und Brunnenvergifter“. Ab 1632 mussten die Bewohner wegen
des 30-jährigen Kriegs („zwei Schwedenjahre“) viel Leid erdulden.
Danach folgte die schlimme Pest-Zeit, in der „bis auf 70 Seelen“ alle Einwohner starben. Einige Juden mussten den Ort verlassen.
Als 1706 Graf von Stadion die Ortsherrschaft übernahm, lebten unter den ca. 1400 Einwohnern wieder 23 jüdische Familien. Doch im Jahr 1717 stellte der Graf beim Kaiser in Wien den Antrag, alle
Juden aus Thannhausen auszuweisen. Die Gründe dafür sind nicht genau bekannt.
So mussten dann 1718 alle Juden den Markt verlassen. Sie konnten sich in Hürben/Krumbach, Ichenhausen und Altenstadt niederlassen. Nach der Vertreibung ließ der Graf die Synagoge
abreißen und an ihrer Stelle 1722 die Stadion-Kapelle bauen. Man nennt sie bis heute auch „Judenkapelle“. Neben dem Eingang steht noch der alte Opferstock aus der Synagoge. Nur dieser und das
Straßenschild „Judengasse“ erinnern uns heute noch daran, dass hier in Thannhausen 200 Jahre lang Jüdinnen und Juden gelebt haben.
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Es gab auch Juden, die sich mit ihrem Familiennamen "Thannhauser" nannten.
In New York (USA) kann man eine berühmte Kunstsammlung mit dem Namen "The Thannhauser Collection" besuchen. Die Vorfahren des Kunstsammlers Heinrich Thannhauser stammten aus unserem Thannhausen.
(Zeitungsartikel hierzu unten)
Weitere Infos:
http://www.alemannia-judaica.de/thannhausen_synagoge.htm
http://www.hagalil.com/2011/02/thannhausen/
http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/s-t/1930-thannhausen-schwaben-bayern
Guggenheim Museum in New York
The Thannhauser Collection:
Top-Galeristen und ihre Wurzeln an der Mindel
Thannhausen/Krumbach (hli) - Der Name "Thannhauser" zählt zu den herausragenden in der Kunstwelt. Heinrich Thannhauser (1859 bis 1934) und sein Sohn Justin (1892 bis 1976) waren Kunsthändler und erwarben sich Weltruhm. Während des Nationalsozialismus verlegten sie ihre Geschäfte von Berlin erst nach Paris, dann nach New York. Die Wurzeln der beiden "Thannhauser" lassen sich zurück verfolgen nach Thannhausen.
Als Josef Schuster aus Thannhausen erfuhr, dass das berühmte Guggenheim Museum in New York eine in Kunstkreisen kaum minder bekannte Abteilung mit dem Namen "The Thannhauser Collection" hat, ließ ihm das keine Ruhe mehr. Hat der Name dieser außerordentlichen Sammlung von 73 Spitzenwerken der Moderne,
darunter 32 Werke von Pablo Picasso, etwas zu tun mit Thannhausen in Schwaben? Josef Schuster forschte nach und ihm wurde bestätigt, dass die Vorfahren dieser Kunsthändler aus einer Gemeinde namens
Thannhausen in der Nähe von Ulm stammten und dass einer dieser Vorfahren Baruch Löw hieß. Dieser Baruch Löw ist im Bronnenmaier-Heimatbuch nachgewiesen, so steht für Josef Schuster fest, dass die
Wurzeln der "Thannhauser" nach Thannhausen zurück reichen, was er jetzt im Pfarrheim darlegte.
Heinrich und Justin Thannhauser waren Kunstsammler und Kunstkenner. Allein die Tatsachen, dass sie die erste Ausstellung des dann bald berühmt gewordenen "Blauen Reiter" organisierten und dass Justin
Thannhauser "der" Galerist von Pablo Picasso wurde, sprechen für sich.
Begegnung mit Picasso - Eine Anekdote erzählt, dass der noch erfolglose und mittellose Picasso mit einem Bild durch Paris gelaufen sei. Als er an einem Straßencafé vorbeikam, in dem Justin
Thannhauser saß, habe der sich das Bild zeigen lassen und es spontan für 100 Francs gekauft. Das war der Beginn einer Freundschaft und erfolgreichen Zusammenarbeit von Thannhauser und Picasso.
Heinrich und Justin Thannhauser waren Kunsthändler und keine Kunstsammler. Sie machten es sich aber zur Gewohnheit, pro Jahr ein Bild beiseite zu nehmen und bauten damit eine kleine, feine Sammlung
auf. Diese bildete den Grundstock für die "Thannhauser Collection" des Guggenheim Museums. Den kleinen Vortrag von Josef Schuster im Pfarrheim Thannhausen ergänzte Sigurd Rakel mit einem Referat über
die außergewöhnliche Kunstkennerschaft von Heinrich und Justin Thannhauser. Rakel würdigte das außerordentliche Gespür der beiden Galeristen, ihren Verdienst für die Entwicklung der modernen Kunst.
Mit der 400-jährigen Bildtradition hätten die damaligen Künstler gebrochen, betonte Rakel. Den Normalbürger habe das verstört, aber Heinrich und Justin Thannhauser hätten den Wert dieser Bilder
erkannt und seien auf diesem Wege zu Pionieren der neueren Kunst geworden. Artikel in den Mittelschwäbischen Nachrichten vom 08.10.07
Bild oben von der KEG Reise 2000 nach New York vor dem Guggenheim Museum
Jüdische Kultur in Thannhausen - Eine Spur führt nach Thannhausen
11.6.2021 Mittelschwäbische Nachrichten
Juden in Ichenhausen - Ehemalige Synagoge Infos zur Tonbildschau der KEG